Klaus Groth und die Dithmarscher Mundart 4:
Klaus Groths Plattdeutsch

(Thema des Tages vom 12.02.2020)



Klaus Groths Elternhaus (2006, Foto: de.wikipedia)

Der häufige Gebrauch von Doppelselbstlauten (Diphthongen) ist für die Dithmarscher Mundart charakteristisch. Klaus Groth lehnt sie ab und erklärt sogar sein reines Plattdeutsch als das eigentliche Dithmarscher Platt.

Die Umgangssprache in der Familie von Klaus Groth in Lüttenheid war Niederdeutsch: „Meine Eltern, meine Verwandten, meine ganze Umgebung sprach nur plattdeutsch.‟ (Memoiren, S. 119)

Das gesprochene Plattdeutsch in Dithmarschen - wie in ganz Norddeutschland - war nie einheitlich. Schon um 1600 konstatierte der Chronist Dithmarschens, der Pastor Köster („Neocorus") aus Büsum, dass in „einerlei Volcke ein ander Idioma" gesprochen wird, dass „de (Sprake) fast in allen Steden, Flecken, ock wol geringsten Dorpern sick endert‟ und unter dem Einfluss von „Uthlenderen unde Frembde‟ besonders in den größeren Orten sie „sick betern unde reinigen‟ oder aber „ock wol gar corrumperen unde vormengen‟. In den größeren Orten reden die Menschen „zirlicher." (Neocorus, Bd. I, S. 60)

Jedoch nicht nur von Ort zu Ort unterscheidet sich die Mundart. Wichtiger als diese horizontalen Unterschiede in der Bevölkerung sind die vertikalen für das Verständnis von Klaus Groths Platt: Innerhalb der Orte sprachen insbesondere die gehobenen Schichten ein „besseres" Platt, eben „zierlicher‟ und reiner. Klaus Groth: Ich höre noch „den zornigen Verweis meines Vaters gegen unsern Arbeiter: ‚Johann, du sprichst ja deine Sprache wie´n Schwein!‛‟ (Memoiren, S. 120). Dagegen: „Mein Vater spricht das Plattdeutsche sehr schön; er hielt strenge darauf, dass wir es rein und ordentlich sprächen" (Memoiren, S. 25).

Das gilt nicht nur für Groths Familie. Auch bei Sophie Dethleffs, der Verfasserin der 1850 erschienenen „Fahrt na de Isenbahn", die ebenfalls in Heide aufgewachsene ist, findet man die von Klaus Groth angeprangerten Diphthonge nicht (genauer: selten). Und für den Süderdithmarscher Prof. Müllenhoff als Mitarbeiter am „Quickborn‟ gilt das sowieso.

Menschen dieser Schicht vermieden überwiegend Diphthonge in ihrer Mundart, nicht nur in Heide, sondern in ganz Norddeutschland. Zum Beispiel schreibt der Ostfale Carl Abels von den „rauhen, und nur bey dem gemeinsten Pöbel üblichen Diphthongorium und Red-Arten, da man z.E. das e ei, und das o au so schreibt als ausspricht" (Nd.Jahrbuch, 1883, S. 3).

Sie alle gehören zum Bürgertum, einer Schicht, die sich insbesondere ab dem 18. Jahrhundert zwischen dem Adel und hohen Klerus und den Bauern, Handwerkern (und später Arbeitern) herausgebildet hatte, genauer zum Bildungsbürgertum.

In der Zeit nach 1830, von der der „Quickborn‟ hauptsächlich handelt, wurde in ganz Norddeutschland noch Plattdeutsch gesprochen, auch im Bildungsbürgertum. Selbst an der Universität: "Die plattdeutsche Sprache ist (...) Lieblingssprache auf allen norddeutschen Universitäten" (Wienbarg, 1834, S. 32).

Klaus Groths Bildungsweg beginnt typisch. "In meiner Kindheit habe ich nur plattdeutsch gesprochen und das Hochdeutsche erst später als Schulsprache kunstmäßig erlernt" (Memoiren, S 119). Während seiner Jugendjahre und als junger Mann eignet sich Groth mit ungeheurem Ehrgeiz und Fleiß ein umfassendes Wissen autodidaktisch durch das Studium hochdeutscher Bücher an. Neuere plattdeutsche wissenschaftliche Bücher gibt es gar nicht und auch keine bedeutende plattdeutsche Belletristik. Sein ganzes Wissen und Denken ist hochdeutsch geprägt.

„Angefüllt so von allerlei Wissen und Können" (Memoiren, S. 169) wendet er sich dem Plattdeutschen zu.

„Als ich zuerst anfing, plattdeutsch zu produzieren, war es mir fast unmöglich, plattdeutsch zu denken, allenthalben schlichen sich unbemerkt die Formen hochdeutscher Konstruktion und Gedankenfolge ein, so daß ich fast verzweifelte, zu meinem Ziel gelangen zu können." (SW VI, S. 78)

„Übrigens, wenn auch neun Zehntel aller geborenen Plattdeutschen ihr Muttersprache unlauter sprechen: sobald sie in einen gebildeten Mund genommen wird, schwindet alles Rohe" (a.a.O., S. 106)

"Die Mängel des Plattdeutschen kenne kenne ich vielleicht genauer als irgend jemand, der ich - der erste - mit diesen Mängeln praktisch gekämpft habe und sie habe überwinden müssen" (Memoiren, S. 112)

So wird er mit dreißig Jahren plattdeutscher Dichter, Begründer und Klassiker der neuniederdeutschen Literatur: vielfach übersetzt und vertont. Seine bis heute andauernde literarische Bedeutung ist durch die Aufnahme in das „Lexikon der Weltliteratur" dokumentiert.