Schreibung:
Original (1777) 〉〉 - Original (1825) 〉〉
Voß über sein Plattdeutsch

Johann Heinrich Voß


Voß über das Plattdeutsch seiner Idyllen


„In dieser [De Winterawend] und der zehnten Idylle [De Geldhapers] habe ich versucht, die reiche und wohllautende Sassensprache nach den Regeln, wie sie bis zu unseren Eltervätern vor Gericht, auf der Kanzel, und in gebildetem Umfang gehört, und in geistlichen und weltlichen Büchern gelesen ward, richtig und mit Auswahl zu behandeln. Man erwarte also kein verwahrlostes Plattdeutsch, aus dem niedrigen Leben aufgeraft, noch weniger ein Plattdeutsch der besonderen Mundart in Holstein, in Mecklenburg, in Westfalen, oder wo sonst unsere Sprache zu eigenthümlicher Sprechung ausartete.
Mein Wunsch war, mit Vermeidung zu alter Worte und Fügungen, einen schüchternen Nachhall der sassischen Buchsprache zu wagen, die von allen Niederdeutschen zum öffentlichen Vortrag gebraucht wurde, und neben der hochdeutschen, als sanftere Schwester, fortzublühen verdient hätte. Gelungen wäre der Versuch, wenn sowohl der Pommer als der Bremer das vorgelesene [sic] bis auf weniges verstände, und auch der Holsteiner sich einbildete, daß man einige Meilen entfernt so spräche. Bei dergleichen Sittengemählden niedersächsischer Landleute schien der Gebrauch ihrer Muttersprache desto zulässiger, da viele Ausdrücke den Sitten so völlig gemäß sind, daß sie der Hochdeutsche nur geschwächt, und in fremdem Tone, wiederzugeben vermag.“

Auszug aus Idyllen, 1801, S. 353–354; online: reader.digitale-sammlungen.de